Shoah-Tage Essen 2016

Der Dokumentarfilm als Marke der Orientierung

Beide Filme sind Dokumentarfilme. Gewonnen aus den Erzählungen von unmittelbaren Augenzeugen. Im Mittelpunkt stehen in erster Linie die Täter. Genauigkeit, Detailliertheit, Breite und Intensität zeichnen beide Dokumentarfilme aus.

Dokumentarfilme sind immer ein Kunstwerk – auch dem fühlen wir uns verpflichtet.

183 TAGE. DER AUSCHWITZ-PROZESS

Der Dokumentarfilm 183 TAGE. DER AUSCHWITZ-PROZESS ist vom Verein für jüdische Medien und Kultur in München für Zwecke des Unterrichts und der Fortbildung hergestellt worden. Der Initiator und Produzent Janusch Kozminski is im Dezember 2015 verstorben. Wir widmen ihm die Aufführung in Essen.

.Er ist didaktisch sehr gut aufbereitet, so dass ihn auch jüngere Schülerinnen und Schüler (9. bis 10. Jahrgang) verstehen. In seinem Zentrum stehen vier Angeklagte, die als exemplarische Beispiele dargestellt werden:

Robert Karl Mulka als Beispiel für die Banalität des Bösen
Oswald Kaduk als Beispiel eines Exzesstäters, der eigenmächtig und eigeninitiativ mordete
Dr. Victor Capesius, der Apotheker, als bewusst agierendes, auf Befehl funktionierendes Glied des Vernichtungsapparats an der Rampe
Wilhelm Boger, als Ermittlungsbeamter der Lager-Gestapo

HÔTEL TERMINUS

Im Film HÔTEL TERMINUS steht der SS-Obersturmführer Klaus Barbie im Mittelpunkt. Der Teil I des Films behandelt seine Tätigkeit als Gestapo-Chef in der Stadt Lyon, die ab 1942 das Zentrum der Résistance im (bis zum 11. November 1942) nicht besetzten Teil Frankreichs darstellte. Nach 1945 wurde Barbie für diese Tätigkeit mit dem Titel Schlächter von Lyon belegt. Beispielhaft stehen dafür der Foltertod des Inlandchefs der Résistance, Jean Moulin, und die den Film durchziehenden Opfergeschichten der Frauen Lise Lesèvre und Simone Lagrange.

Der Teil II behandelt seine Karriere nach 1945, zunächst als Agent des amerikanischen Geheimdienstes CIC. Seine besonderen Fähigkeiten, feindliche Ost-Spione für die Gegenspionage zu gewinnen, waren im Ost-West-Konflikt wieder gefragt.

Der Druck Frankreichs ihn auszuliefern wurde nach mehreren Todesurteilen der französischen Justiz so stark, dass die Amerikaner ihn 1952 als Klaus Altmann (mit Familie) über die „Rattenlinie“ nach Südamerika entkommen ließen. Hier entfaltete „Don Klaus“ eine lebhafte Aktivität im Waffenhandel und in der Beratung der Militärregierungen im Dreieck Chile, Argentinien und Bolivien.

Beate und Serge Klarsfeld trugen besonders durch ihre öffentlichen Aktionen zu seiner Enttarnung bei, die zur Ausweisung und zum Prozess und dem Urteil lebenslänglicher Haft 1987 führte. (Die Todesstrafe wurde in Frankreich 1981 abgeschafft.)

KLAUS BARBIE

Klaus Barbie, 1913 in Bad Godesberg geboren, steht beispielhaft für eine typische Karriere im Nationalsozialismus. Nach Abitur und Arbeitslosigkeit wurde er 1935 Mitglied der SS und durchlief eine Ausbildung zum Beamten der Geheimen Staatspolizei (Gestapo).

In der Kriegszeit war er 1940/41 bei der Sicherheitspolizei in Amsterdam eingesetzt, wo er mit äußerster Brutalität gegen jüdische Bürger und Feinde des Reichs vorging. Seine Bekanntheit, die auch den amerikanischen Geheimdienst beeindruckte, war durch die mit Verrat und Gegenspionage gelungene Verhaftung Jean Moulins veranlasst. Jean Moulin, der die Folter bis zum Äußersten ertrug, wurde der Nationalheld des französischen Widerstands. Die juristische Verfolgung Barbies war im Frankreich de Gaulles daher zwingend.

Aber nicht nur das. Die Gestapo in Lyon war auch für die Deportation der jüdischen Bevölkerung zuständig. Hier verknüpfte sich ein zweites Zentralthema der Nachkriegszeit: Die gnadenlose Deportation von Kindern, hier Der Kinder von Izieu, jüdische Waisenkinder deportierter Eltern, die – in einem Heim 30 km östlich von Lyon versteckt – verraten wurden. Am 6. April 1944 veranlasste Barbie die Deportation der Drei- bis Dreizehnjährigen über Drancy nach Auschwitz

Nach Kriegsende schlägt sich Barbie nach Deutschland durch und wird bis 1951 von amerikanischen Militärgeheimdienst verpflichtet. Im gleichen Jahr flieht er – wiederum mit Hilfe des Geheimdienstes — nach Südamerika und macht eine weitere unter seinem neuen Namen Klaus AltmannKarriere unter verschiedenen bolivianischen Diktatoren. Aufgespürt von Beate Klarsfeld wird es für Barbie immer enger. Bolivien kehrt zur Demokratie zurück, Barbie wird nach Frankreich ausgeliefert und 1987 in Lyon zum lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Er stirbt 1991 im alter von 77. Jahre.

Erst heute ist nachgeweisen, dass Klaus Barbie unter dem Decknamen Adler auch in den Diensten des deutschen Geheimdienstes (BND) von 1966 bis 1968 geführt wurde.
Siehe auch: Deckname Adler von Peter Hammerschmidt

DECKNAME ADLER VON DR. PETER HAMMERSCHMIDT

Die aktuelle Aufarbeitung des Komplexes Klaus Barbie, alias Altmann hat der Politologe Dr. Peter Hammerschmidt („Deckname Adler“ S. Fischer-Verlag) vorgelegt. Er konnte nachweisen, dass Klaus Barbie von 1966 – 1968 auch beim BND als Agent (Deckname Adler) geführt wurde. Da seine Ergebnisse deutlich über das bisherige Wissen hinausgehen, haben wir ihn zu einem ergänzenden Statement eingeladen, das das Publikumsgespräch einleiten wird.